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Misery Bear & der Frühlings-Blues

 „Ich habe immer auf jemanden gewartet, der mein Leben in Ordnung bringt. Aber so jemand ist nie gekommen." So beklagte sich eine der Figuren in der amerikanischen Fernseh-Serie „Desperate Housewives". Und manch ein Zuschauer hat wohl innerlich genickt und an sein eigenes Leben, an seine eigene Abfolge von Krisen & Katastrophen gedacht.

„Halt!" werden jetzt Lebens-Berater, Motivations-Coaches, Psychologen, Esoteriker und zahllose Ratgeber-Bücher jeglicher Couleur schreien. „Man kann sich nur selber helfen, man muss bei sich selber anfangen, man muss die eigene Einstellung ändern & positiv(er) denken & handeln ..." So oder so ähnlich verlangt es der herrschende Zeitgeist, jede & jeder ist für sich selbst und sein Schicksal verantwortlich. Auf dass durch positives Denken, Fühlen & Handeln die richtigen Menschen, Sachen & Ereignisse „angezogen" werden. Und sich so Schritt für Schritt ein Leben ganz nach den eigenen Wünschen & Vorstellungen manifestiert. Und gerade im Frühling, wo die Tage länger & wärmer werden und die Lebensgeister neu erwachen, müsse einem das doch besonders leicht fallen ...

Nein, tut es eben vielen Menschen nicht. Denn gerade der Frühling ist eine besonders heikle Zeit für Menschen mit Kummer & Frust, Burnout & Depressionen.

Vereinfacht gesagt sind die innere und die äussere Welt im kalten, grauen Winter einigermassen deckungsgleich. Wenn aber im Frühling alles zu neuem Leben erblüht, öffnet sich die „Schere" zwischen innerer und äusserer Welt, und es wird immer schwieriger, innerlich mit den positiven Veränderungen draussen Schritt zu halten.


Es verwundert daher kaum, dass im Frühling – im langjährigen Durchschnitt – die meisten psychischen Auffälligkeiten und auch die meisten Selbstmorde zu verzeichnen sind. Viele Menschen fühlen sich gerade im Frühjahr ein bisschen wie auf der Arche Noah, wo es zuallererst einmal ums Überleben geht. Für manche Menschen ist es denn auch bereits eine Leistung, noch am Leben zu sein ... wie es einst Coco Chanel (nicht zuletzt mit Blick auf sich selber) formuliert hat.

In meiner Kindheit – „Verdamp lang her" – war die Kölner Band „BAP" eine grosse Nummer. In den 80er Jahren erklärten sie einem Mädchen namens Alexandra in einem Lied „... manch einer fühlt sich hier im Stich gelassen, Alexandra, ned nur du ...". Und seither weiss ich, dass es bei Kummer manchmal tröstlich ist zu wissen, dass es auch andere da draussen gibt, denen es schlecht geht und die sich im Stich gelassen fühlen. Nicht nur Alexandra. Auch Roger, Simon & Anna-Lena.

Und ein kleiner Teddy-Bär namens „Misery Bear". Der britische Anti-Held ist traurig, einsam, gelangweilt, frustriert, depressiv, oft betrunken und manchmal sogar am Rande des Selbstmords. Auf dem Comedy-Kanal der englischen BBC quält er sich in kurzen & kürzesten Episoden durch einen frustrierenden Alltag mit allerlei Boshaftigkeiten & Hindernissen. Und teilt sein kaputtes Leben mit immer mehr treuen Zuschauern und „Fans". Auf YouTube sind es mittlerweile bereits Millionen von Menschen, die sich die kleinen Geschichten mit jeder Menge Selbst-Zweifel & Selbst-Hass, Zittern & Zerstörungs-Wut anschauen. Sie wissen: Das Unheil kommt in jedem Fall, fragt sich bloss in welcher Form & Heftigkeit. Dem kleinen Bären wird das Leben wieder übel mitspielen. Er kriegt wieder einmal eins übergebraten und hat doch gar nichts Böses im Sinn gehabt.

Diese stille Verbundenheit – der kleine Bär spricht nicht – hat etwas Tröstliches, sogar Aufheiterndes (ja, lustig ist es auch ...). Und letzten Endes ist „Misery Bear" trotz allem auch ein Kämpfer, ein Steh-auf-Männchen, einer, der sich nach jedem Seitenhieb des Lebens wieder aufrappelt und von neuem hofft & träumt und etwas Neues ausprobiert. Der – ähnlich wie in den 70er Jahren Signor Rossi aus der italienischen Konserven-Fabrik – sein kleines Stück vom Glück sucht.

Hier ein paar Beispiele zum Reinschauen:


 „Misery Bear" bei der Arbeit:

http://www.youtube.com/watch?v=5dTHlTu_DC8&feature=related

„Misery Bear" bereitet sich auf ein Rendez-Vous vor:

http://www.youtube.com/watch?v=RTTGmxBXoiI&feature=relmfu

„Misery Bear" verbringt einen Tag am Meer:

http://www.youtube.com/watch?v=iw9F_S9gCPk&feature=related


Im Vergleich zum „Misery Bear" geht es einem doch fast schon wieder gut ... oder zumindest etwas besser ... ein Lächeln ist schon mal da ... vielleicht folgt noch eins ... Klar: Hier wartet kein Patent-Rezept für trübe Stunden. Aber ein bisschen Verständnis und eine kleine, feine Aufheiterung, die fürs erste oft viel mehr ausrichten kann als ein „Befehl" zum positiven Denken, zur Begeisterung & Leidenschaft – der auf manche Menschen ähnlich wirkt wie der Befehl zum Schwimmen auf einen Ertrinkenden. Man könnte sogar am Ufer stehen und die Schwimm-Bewegungen vormachen, es würde beim Hilfe-Suchenden im Wasser nicht ankommen. So ähnlich ist das auch oft mit den gut gemeinten psychologischen & spirituellen Ratschlägen ...

Das permanente Lächeln um sie herum wirkt auf viele Menschen absurd. (Fast) jeder will heutzutage demonstrieren, wie zufrieden & glücklich er ist. Wie leidenschaftlich & dankbar. Und wie sehr er sein Leben selbst gestaltet & im Griff hat. „Master of my destiny, not victim of my history!" lautet die Devise. Meister meines Schicksals, nicht Opfer meiner Vergangenheit. Schön für dich, Maestro, nur schafft das leider nicht jeder – wie ein kleiner Seitenblick auf die Gesellschaft nur allzu stark verdeutlicht. Wer es nicht schafft, das innere Chaos zu beherrschen, versucht oft umso verzweifelter, wenigstens das äussere Chaos in den Griff zu kriegen. Her mit den Anti-Depressiva, Aufputsch-Mitteln, Beruhigungs-Mitteln, her mit dem Alkohol, den Drogen und den zahlreichen weiteren vermeintlichen Helferlein ...

Fanatisches Positiv-Denken und die Jagd nach permanentem Glück können leider das Gegenteil bewirken. Es ist ein bisschen wie mit einem Gummi, den man immer weiter dehnt – bis er irgendwann mit voller Kraft zurückspickt. Das wussten schon die Menschen in der Antike, die Glück als Füllhorn verschiedener Gaben & Emotionen begriffen. Sie haben auch die Täler zugelassen, die schwierigen Zeiten. Manchmal fühlt man sich da wohler, weil man geschützt ist.

Letztlich fährt man wohl am besten mit einer grundsätzlich positiven Lebens-Einstellung, die Raum lässt für „Ausreisser" nach oben und unten – und mit der uralten Erkenntnis, dass man im Leben einmal mehr aufstehen sollte als hinfallen. Auch wenn man vielleicht dann & wann mal kurz liegen bleibt ...


Abschliessend ein herrlicher Song vom deutschen Comedian & Sänger Tobias Mann:

"Früher war heute noch besser"

http://www.youtube.com/watch?v=eQSpWyJHi_Q&feature=related

(Genussvoll) essen, um zu leben – nicht leben, um ...
Der Boss & die Bosse