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Ein Kärntner Sommer-Märchen

Diese Geschichte spielt zwar in Kärnten, aber das tut sie nur zufällig. Sie könnte genauso gut auch in Deutschland spielen, zum Beispiel am traditionsreichen Nürburgring in der Eifel. Oder irgendwo in der Schweiz, wo jüngste Untersuchungen ergeben haben, dass jeder dritte Gross-Auftrag des Bundes unter der Hand vergeben wird. Kärnten ist überall ...

Und die Geschichte stammt auch ausnahmsweise nicht von mir, sondern vom Journalisten Bernhard Odehnal, der sie Anfang August im Schweizer Tages-Anzeiger unter dem Titel „Reise zu Jörgs Millionen-Gräbern – Kärnten, das südlichste Bundesland Österreichs, bietet neue Bauten und Skandale" veröffentlicht hat. Eine Geschichte, in der Lachen & Weinen & Staunen untrennbar miteinander verschmolzen sind:

„Herzlich willkommen, meine Damen und Herren! Ich begrüsse Sie bei Korrupt-Tours-Kärnten, dem einzigen Reisebüro, das Österreichs südlichstes Bundesland zeigt, wie es wirklich ist. Besteigen Sie unseren Bus, und lassen Sie sich in die Welt der Kärntner Politik entführen, wo Geld keine Rolle spielt und Moral ein Schimpfwort ist. Hauptsache, es war ‚a Gaude', wie wir sagen.

Wir verlassen jetzt den Hauptplatz von Klagenfurt und steuern auf das heimliche Wahrzeichen der Stadt zu: das Wörthersee-Stadion. Zur Fussball-EM 2008 wurde es gebaut, 70 Millionen Euro durfte Österreich dafür bezahlen. Es war ein Lieblings-Projekt unseres Landes-Hauptmanns, Gott habe ihn selig. ‚Wir Kärntner', hat der Jörg gesagt, ‚bekommen das schönste Fussball-Stadion der Welt.' Drei EM-Spiele wurden hier ausgetragen, seither sind die 32'000 Sitzplätze verwaist. Kärnten hat ja keinen Fussball-Club in der Bundesliga mehr. Trotzdem werden nun noch einmal 20 Millionen Euro investiert, um den Einsturz zu verhindern.

Weiter geht es zum nächsten Lieblings-Projekt Haiders: Die See-Bühne am Wörthersee entpuppte sich schon bald als Millionen-Grab. Die Betriebskosten schnellten in die Höhe, die Zuschauer blieben aus. Kein Problem: Haider holte Stars, der Bund zahlte 5 Millionen Euro Subvention. Pro Jahr. Im Finanz-Ministerium in Wien sass damals Haiders Freund Karl-Heinz Grasser.

Viel zu früh ist der Jörg von uns gegangen. Aber er hat den Kärntnern etwas hinterlassen: Schulden, Schulden, Schulden. Und eine bankrotte Bank. Wir stehen jetzt vor der brandneuen Zentrale in Klagenfurt – erbaut, als der Hypo-Alpe-Adria das Wasser schon bis zum Halse stand. Aber Haider bestellte, und die Bank zahlte: eine private Fluglinie (ging pleite) oder ein Luxus-Hotel (ging ebenfalls pleite).

Dummerweise musste Kärntens Hausbank zuletzt not-verstaatlicht werden. Das hat die Steuerzahler viel gekostet. Zuvor, beim Verkauf der Bank nach Bayern, sind noch ein paar Millionen in die Kassen der Kärntner Regierungs-Parteien geflossen. Jene, die heute regieren, waren damals schon dabei: als Haiders Stellvertreter und Sekretäre. Nur können sie sich dummerweise an nichts mehr erinnern.

Wir hätten jetzt gerne den Klagenfurter Bürgermeister besucht, der sich für diesen Job als Haiders Tennis-Lehrer qualifizierte. Aber er nimmt gerade eine neue CD auf: ‚Oh du mein Klagenfurt, wo ich geboren bin, da ist die Welt so schön.' Die Kärntner singen halt für ihr Leben gern.

Stattdessen fahren wir zur ‚Jörg-Haider-Brücke'. Haider liess den Sockel der Brücke in Blau betonieren, der Farbe seiner Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Nachdem er diese Partei verlassen und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gegründet hatte, wurde die Brücke in Orange fertiggestellt.

Leider fehlt die Zeit, um vor dem Dom zu Gurk noch das Haider-Denkmal zu bewundern: zwei Stelen, aus denen je acht Hände ragen, die einander berühren und ‚das Verbindende' in Kärnten darstellen. Böse Zungen behaupten, es stelle eher das Prinzip der Kärntner Politik dar: Eine Hand wäscht die andere.

Wir hätten Ihnen auch noch gerne die Kärntner Regierung vorgestellt: Mit einem Landes-Hauptmann, dem ein Richter attestierte, er sei zu naiv für die Politik. Und einem Bildungs-Referenten, der von der Watschen als Erziehungs-Mittel schwärmt. Aber die Herren sind vor Gericht. Die Hälfte der Kärntner Landes-Regierung hat Ermittlungen oder Verfahren am Hals. Einer, Uwe Scheuch, ist gestern zurückgetreten. Sein Nachfolger ist schon bestimmt. Er heisst auch Scheuch, Kurt. In Kärnten bleibt halt alles in der Familie.

Und schon sind wir zurück. Wir von Korrupt-Tours-Kärnten hoffen, Sie hatten eine interessante Fahrt. Kommen Sie nächstes Jahr wieder, wir werden Ihnen wahrscheinlich neue Attraktionen bieten können (...)"

Ja, und so endet unser kleines Sommer-Märchen ...

Und die Moral von der Geschicht'?

Man färbt ab, solange man lebt. Und manchmal auch weit darüber hinaus ...



Weitere Infos zum Thema:

http://www.nzz.ch/aktuell/international/das-system-haider-implodiert-1.17453494

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